signierstunde mit Heinrich Harrer

Griechen und Römer haben mich noch nie interessiert. Sie waren mir unsympathisch. Ich war fasziniert von den germanischen Göttern. Das waren aber nur Sagen. Sie hatten für mich ansonsten keine Aussagekraft. Wer glaubt heute noch an diese Geschichten?

Fremde, lebende Kulturen interessierten mich schon, anders als tote Kulturen. Was mich später begeisterte, waren die asiatischen, noch lebenden Kulturen. Beispielsweise die Tibeter. Vom Buddhismus geprägt, der eine ganz neue Sicht auf die Welt zuließ, waren auch ihre Kunst und ihre Architektur faszinierend. Deshalb freute ich mich, als unsere Chefin verkündete: "Wir haben Heinrich Harrer eingeladen, sein Buch zu signieren!"

Eine Signierstunde war für uns etwas ganz Neues. Weder Autoren noch Autorinnen, die von Bedeutung waren, war ich bisher persönlich begegnet. Nun trat der unwahrscheinliche Fall ein, einem berühmten Autor gegenüberzustehen, der noch dazu in Tibet war und viel über dieses Land und dessen Kultur wusste. Aufregung herrschte. Wir mussten genug Bücher ordern und Werbung machen. Ich fieberte dem großen Tag entgegen.

 

Endlich war es so weit. Der Tag war gekommen und wir erwarteten den besonderen Gast. Langes Warten. Wir wurden immer nervöser. Wo er nur blieb? Was würden die vielen Kunden sagen, die bald kommen werden und vielleicht enttäuscht sind, wegen der langen Wartezeit? Vor einer halben Stunde hätte er da sein sollen. Aber weit und breit kein Herr Harrer. Zum Glück waren auch noch keine Kunden aufgetaucht. Hatten wir eine falsche Zeit angegeben? Ein Blick auf unser Plakat: Nein, Datum und Uhrzeit waren korrekt. Niemand kam. Das Geschäft war total leer. So leer wie sonst nur selten. Dann, endlich! Ein junger Mann trat ein, sah sich um und fragte nach dem Autor. Wir entschuldigten uns, weil er offenbar auf ein Autogramm in einem Buch verzichten musste und boten ihm an, wenigstens ein Buch zu kaufen, denn von denen hatten wir einen ganzen Stapel. Freundlich aber bestimmt, lehnte der junge Mann ab. Er hatte das Buch schon gelesen und wollte dem Autor nur Fragen dazu stellen. Einige Zeit leistete er uns beim Warten Gesellschaft. Irgendwann gab er schließlich auf und ging. Nun waren wir alleine in unserem Schmerz, denn andere Fans tauchten nicht auf. Der Autor auch nicht. Was war denn nur passiert?

 

Warum niemand zu der Signierstunde gekommen war, wird wohl ewig ein Rätsel bleiben. Was den Autor betrifft! Er hatte schlichtweg auf den Termin vergessen. Ein großes Glück für alle Beteiligten. So blieb ihm und uns die Blamage erspart. Selbstverständlich schwiegen wir über das allgemeine Desinteresse an seiner Person und an seinem Buch, als er vorbeikam, um sich zu entschuldigen. Nur von dem jungen Mann, der seine Telefonnummer hinterlassen hatte, erzählten wir ihm. Ob Harre ihn jemals angerufen hat? Auch das bleibt ein ewiges Geheimnis.

Mit uns hat er leider weder über sein Buch, noch über Tibet geredet. Er hatte zu wenig Zeit. Enttäuschend.