Der kleine Hund hatte offensichtlich einen stärkeren Willen als wir. Was er wollte, geschah.
Die Tochter zog nun endgültig aus und der Hund blieb bei uns. Diesmal protestierte er nicht dagegen. Als würde er verstehen, dass sein geliebtes Frauchen wieder – wie schon einmal - an einem anderen Ort wohnte, an dem er lieber nicht sein wollte. Das bemerkte ich auch an seinem seltsamen Verhalten, wenn ich abends noch eine Runde machen wollte. Natürlich war ich stärker als er, aber warum sollte ich gegen ihn kämpfen, wenn er doch lieber zu Hause bleiben wollte. Vielleicht aus Angst, die Nacht wieder in einer fremden Wohnung verbringen zu müssen? Insgeheim war ich froh, um diese Zeit nicht mehr hinaus zu müssen. Der Tag war sowieso anstrengend genug. Die Abendspaziergänge wurden gestrichen. Gemeinsam mit unserer Dora, meiner alten Hündin, konnte er auch im Garten herumlaufen. Sie hielt ihn zwar auf Abstand – vermutlich weil er ihr zu wild war und weil wir sie bei der ersten Begegnung der Beiden angeschrien hatten, damit sie ihn nicht erschreckt – aber sie liebte ihn auch. Er schien sie zu verehren.
Dora war ein Wolfsspitz. Sie hatte einen starken Bewacher und Beschützerinstinkt. Manchmal war das lästig. Wenn sie glaubte, ein Gegenstand würde ihr gehören, bewachte sie ihn. Nicht einmal uns gab sie ihn freiwillig. Große Spaziergänge waren nicht ihr Ding. Sie erinnerte mich an meinen Opa, der sein Haus auch nur verließ, wenn er dazu gezwungen war. Brachte ich die Kinder zu Freunden, wollte sie das Haus bewachen, in welchem die Kinder verschwunden waren. Gab ich jemandem die Hand, den sie nicht kannte, ging sie sofort dazwischen. Dieser Hund war auch sehr eindrucksvoll, riesig wirkend, durch das kuschelige Fell. Zeigte sie die Zähne, knurrte sie, konnte einem das schon Angst machen. Dabei war sie ganz harmlos. Meistens zumindest. Unseren Nachbarn liebte sie, weil er großzügig Leckerlis verteilte. Doch als er einmal alleine ins Haus kam – unsere Türe war nie versperrt, zwickte sie ihn, trotz aller Liebe. Zum Glück war es nicht sehr schlimm und er fand das auch in Ordnung. Wozu hat man denn einen Wachhund?
Der Beschützerinstinkt, den sie ihrem neuen Bruder entgegenbrachte, wurde für sie zur Gefahr. Kam ihm ein anderer Hund zu nahe, ging sie dazwischen, um ihn zu schützen. Er wollte ihren Schutz gar nicht und er benötigte ihn auch nicht. Denn alle Hunde liebten Basil und wollten mit ihm spielen. Egal ob im Wald, in der Hundezone oder in der Hundeschule, sofort folgte ihm eine ganze Meute. Das genoss er sichtlich.
Sie war schon alt und nicht mehr so stark wie früher. Als sie Basil vor einem jungen Rüden „beschützen“ wollte, griff dieser sie an, warf sie zu Boden und stellte sich mit geöffnetem Maul über sie. Mir blieb das Herz stehen. Ein Biss in den Hals und sie wäre gestorben. Zum Glück blieb sie reglos liegen, bis er von ihr abließ.